Homerun

Salara's Geschichte, 2. Teil

Es ist alles zusammengebrochen!

Mein Vater war nicht mein Vater, ich bin eine Elfin - eine ganz reine Elfin. Kein Menschenblut.

Entwurzelt. Baddoc.

Wer war dieser Mann - ,Talor der Unglaubliche" - was hat er mit mir zu tun? Woher komme ich? Wer waren meine Eltern? Alles was ich über meine Herkunft weiß, hat er mir erzählt. Was stimmt davon? Was wollte er von mir?

Er hat sich öfter mit Magiern getroffen. Hat es etwas mit meinem Amulett zu tun? Er hat es nie angefaßt. Aber er hat eine Zeichnung davon angefertigt.
Vielleicht lebt meine Familie ja noch? Aber hätten sie mich nicht gesucht und gefunden? Was mache ich jetzt bloß?

Ist das der Wahnsinn? Vor drei Monaten bin ich einfach losmarschiert. Mitten in der Nacht. Nach einem Alptraum. Ich war in einer Vorstellung mit Talor, und diesmal war ich auf dem Seil und habe die Bälle jongliert. Er stand am einem Ende und hat mir zugerufen, ich solle mit mehr Schwung gehen sonst könne ich abstürzen. ,Komm zu mir, mein Goldstück, du gehörst mir, ich habe dich geschaffen, komm, ich weiß daß du es kannst!"

Und dann hörte ich diese Stimme von hinter mir, ich konnte sie nicht verstehen, sie war sehr leise, eine Frauenstimme, seltsam vertraut. Ich habe innegehalten, um etwas zu verstehen, aber die Stimme war so leise, und da war diese Musik, wie Davron so oft gespielt hat. Die wurde lauter, je angestrengter ich lauschte.

Talor rief immer eindringlicher: ,Komm Sally bleib immer in Bewegung, dreh dich nicht um - komm zu mir, du bist mein Geschöpf, ohne mich gäbe es dich nicht! - oder mu? ich dich holen, und du weißt ja, was ich dann mit dir mache!"

Ich wollte unbedingt die Stimme verstehen, es schien sehr wichtig zu sein. Ganz angestrengt lauschte ich, aber obwohl sie deutlicher wurde, habe ich sie nicht verstehen können, es war eine fremde Sprache. Dann begann das Seil zu schwanken, und ich habe aufgeschaut, und da war Talor, und hat am Seil gerüttelt.

,Geh weiter, du sollst tanzen, träume hier nicht rum! Konzentrier dich auf die Arbeit." Dann fiel der erste Ball, Talor keifte mich an, ich müsse vorangehen, ob mir nicht klar wäre, in welcher Gefahr ich wäre, wenn ich fallen würde?
Da habe ich runtergeschaut und da war ein unendlicher Abgrund, einfach nur Leere. Um mein Herz faßte eine eiskalte Faust, die mich lähmte. Ich bin beinahe gestürzt, verlor alle Bälle beim Versuch mein Gleichgewicht wiederzufinden. Die Stimme wurde leiser, in mir kam die Angst auf, sie würde verschwinden und für immer verloren gehen.

Gerade als ich mich umdrehen wollte, brüllte Talor: ,Du mußt weiterjonglieren! Hier, fang die . . ." und er warf mir die Messer zu. Aber ich konnte mich nur ganz langsam bewegen, immernoch diese Stimme im Ohr, die mir etwas sehr wichtiges sagen will, und ich kann sie nicht verstehen, und meine Hände wollen jonglieren, fangen die Messer und lassen sie durch die Luft tanzen, aber mein Herz will die Stimme verstehen und sehen, wer da spricht und die Messer bewegen sich zu schnell und meine Hände zu langsam und das erste Messer fällt und schneidet in das Seil, auf dem ich stehe.

,Sally, lauf!", ruft Talor. Ich verliere das Gleichgewicht, und ganz langsam falle ich, greife nach dem Seil, hänge daran, bin ganz gebannt von der Schnittstelle, die sich immer weiter auflöst; die Stimme wird immer dringlicher, aber ich kann meine Augen nicht vom Seil wenden, Strang für Strang kommt es entzwei, bis es nurnoch haarfein ist und endlich reißt. Die Stimme wird zum Schrei, der meinen Bann löst; ich schaue hoch und sehe eine Lichtgestalt, die die Arme nach mir ausstreckt, aber ich falle und falle, bis ich dann aufgewacht bin.

 Ich war total durcheinander und aufgewühlt. Es war ein Gefühl als ob ich platzen würde. Keine Zeit mehr, jetzt  mußte etwas passieren. Da habe ich Alrik geweckt, und ihm gesagt, da? ich den Druiden sehen will - aber alleine. Immerhin war der es gewesen, der mir enthüllt hatte, zu welcher Rasse ich tatsächlich gehöre. Dann hab ich meine Sachen geschultert und bin am späten Abend zum Druiden gestiefelt, da fühlte ich mich schon wie so'n Vulkan kurz vor'm Ausbruch.

Ich habe ihn aus dem Schlaf geholt, und gefragt, was ich denn nun tun solle. Ich wollte ihm meinen Traum erzählen, aber er wollte es garnicht hören. Meine Wurzeln solle ich finden, hat er gesagt. In mich gehen, einfach mal das Tun  lassen. Ich würde ständig etwas machen, jonglieren, oder rumzappeln oder sonst meine Energie nach au?en geben. Es wäre gut sie mal nach innen zu lenken.

 Und dann hat er mich weggeschickt, er wolle weiterschlafen, ich solle ihn nicht mehr belästigen, immerhin wäre er ja auch ein Mensch und kein Elf. Ich bin gegangen.
In mir glüte eine Wahnsinns-Wut, ein Haß, der mich verbrannte. Betrogen, abgetrennt, verloren, gedemütigt. Also bin ich gerannt. Einfach nur in den Wald. Ins Dorf wollte ich nicht zurück, nur keinen Menschen begegnen. Dieser Zorn machte mir Angst. Ich hatte schon oft getötet, meistens zum Überleben; aber dieser Haß war mörderisch.

So bin ich in die Dunkelheit gerannt, immer wieder gestürzt, über unsichtbare Hindernisse. Wieder aufgestanden und weitergerannt, immer weiter, bis ich irgendwann nicht mehr aufstehen konnte. Da spürte ich erst, wie mein Körper an tausend Stellen aufgeschlagen war. Und der Haß hatte sich in Schmerz verwandelt. Dem habe ich mich dann ergeben; geweint, geschrien bis nur noch ein Wimmern übrig war, mit dem ich dann einschlief.

Als ich irgendwann im gedämpften Tageslicht wieder aufwachte, war ich dumpf ,leer und kalt. Ich lag in einer Sänke, im dichten Unterholz, meine Kleidung naß, mein Körper zerschunden. Zu ersten Mal in meinem Leben, soweit ich mich erinnern konnte, war ich alleine in einem Wald. Dazu noch in einem schrecklich tiefen, dichten Wald.
Und ich habe mich schrecklich gefürchtet. Diese Angst war mir früher nie aufgefallen; wahrscheinlich, weil ich immer mit irgendwelchen Leuten - Menschen zusammengewesen war. Sie hat mich gelämt. Ich bin stundenlang auf der einen Stelle verharrt, und habe kaum zu atmen gewagt. Bei jedem Geräusch bin ich zusammengezuckt. Das war so widersinnig, mich, eine Elfe, versetzte der Wald in Angst und Schrecken!

Aber daß half auch nicht, mit meiner ganzen Willenskraft konnte ich diese Lähmung nicht überwinden. Erst der Durst, der immer stärker wurde, hat mir die Kraft gegeben. Da ich meine Wasserschläuche nicht gefüllt hatte, mußte ich mich auf die Suche nach Wasser machen. So begann meine Zeit des Rückzuges von der Menschenwelt und der Öffnung für mich.

Es war unglaublich schwer für mich. Die ersten Tage verlebte ich in fast ständiger Panik. Abgesehen davon hatte ich keinerlei Ahnung vom Wildnisleben. Aber ich war entschlossen durchzuhalten, die Angst zu überwinden und mehr Klarheit darüber zu finden, was ich nun weiter tun solle. Und so fastete ich die ersten Tage, bis ich den Mut fand, mich auf die Suche nach Beeren und Pilzen zu machen. Damals hielt ich mich auch meistens auf Bäumen oder in dichtem Buschwerk auf.

Nach Innen gehen hatte der Druide so einfach gesagt. Weniger Energie ins Handeln . . . Davron hatte mir in meiner Kindheit versucht das Meditieren beizubringen, damals vergeblich, aber nun konnte ich darauf zurückgreifen. Vorallem in der Zeit der ständigen Furcht fiel es mir relativ leicht nach außen hin ruhig zu bleiben. Ich war sowieso wie gelähmt. Dafür rasten meine Gedanken um die Wette:

Ob Davron wohl auch gewußt hatte, daß mein angeblicher Vater nicht mein Vater gewesen war? Hatte er vielleicht mit ihm unter einer Decke gesteckt? Und welche Rolle hatten die anderen Gaukler gespielt? Und wer waren meine wahren Eltern? Hatte Talor die Wahrheit gesagt, mitmeiner Mutter und meinen Halbbrüdern, oder war das alles eine Ausgeburt seiner Fantasie? Wie und wann war ich zu ihm gekommen? Wo lebte mein Volk? Gehörte ich überhaupt noch zu ihnen? Gibt es noch eine Chance für mich zu ihnen zurückzukehren?  Mir wurde immer klarer, wie wenig ich eigentlich über mein Volk weiß. Und wie schwer es mir fällt, von ihnen als mein Volk zu denken.

Später dann, als die Gedanken zum Wahn wurden und sich alle Energie in mir staute, konnte ich auch die Lähmung überwinden und meine Übungen machen oder jonglieren. Ich habe immer mehr zu mir gefunden, als ob mir die äu?ere Bewegung eine innere Ruhe ermöglichte.Und unmerklich ist die Angst weniger geworden. Dann kamen Wut, Einsamkeit und Verzweiflung, die zu stark wurden um sie leise zu ertragen. So habe ich auch gebrüllt oder geweint; hinterher hatte ich viel Kraft.

Bis meine Unruhe immer stärker wurde, und ich es in der Stille des Waldes nicht mehr ausgehalten habe. Da habe ich mich entschlossen, zu Handeln. Aus Sicherheitsgründen, aber auch da ich die Einsamkeit kaum ertragen konnte, habe ich mich dann auf die Suche nach meinen Gefährten gemacht.
 
 


  

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